Sunday, November 8, 2009

NUR SO ZUM NACHDENKEN

Michael R.Czinkota und Thomas A. Czinkota

Die Schulferien sind zu Ende gegangen - der Urlaub vorbei. Wir haben viel Zeit mit unseren Kindern im Alter von 6, 7, und 10 Jahren beim Spielen, Denken und Diskutieren verbracht. Einige Fragen und Gedanken sind bis zum Schluss ungelöst im Raum stehen geblieben:

Sind Kinder überlastet? Unsere großen technischen und sozialen Errungenschaften ermöglichen es uns inzwischen, die Früchte unserer Arbeit auch zu genießen. Heutzutage ist es nicht mehr notwenig allein zur Sicherung der Existenz zu lernen, sondern wir können uns aussuchen was wir lernen wollen. Wir können unter anderem wählen zwischen Geschichte, Kunst, Musik und Poesie. 





Obwohl sich die Zielsetzung des Lernens geöffnet hat, das Vorgehen und die Rahmenbedingungen des Lernens haben sich nicht hin zu einer entspannten und glücklichen Kindheit gewandelt. Unsere Schulkinder werden Zusehens getaktete Arbeitsmaschinen, die in ihren stetig wachsenden Ranzen und Rollkoffern immer umfänglichere und komplexere Aufgaben mit sich führen. Zugegeben, das zur Verfügung stehende Wissen hat sich gewaltig vervielfacht, dennoch lernen unsere Kinder im Prinzip noch immer so, wie wir – ihre Eltern – es taten. Könnte es sein, dass wir in Wirklichkeit versuchen, mit veralterten Methoden und Ansätzen gewaltige Mengen von Wissen in den ersten Lebensabschnitt der Kinder zu pressen? Könnte es sein, dass wir damit am Ende damit lediglich erreichen, Kinderköpfe mit nutzlosen Dingen vollzustopfen?

Getreu dem Leitsatz: “Unter Druck formt man Diamanten“ zwingen wir unsere Kinder zum Lernen, in der Hoffnung, dass so ‚Etwas’ aus ihnen wird. Wir halten sie an, noch mehr, noch intensiver zu arbeiten. Mangelndes Interesse oder mangelnde Motivation gilt nicht als Ausrede. Freilich, niemand von uns fragt sich wirklich, warum unsere Kinder selten mangelndes Interesse am Fernsehen, am Spielen mit Freunden oder einfach am Kämmen von Puppen haben.



Die pharmazeutische Industrie stellt uns, freundlicherweise, entsprechende Tabletten zur Verfügung - welche auch großzügig verschrieben werden - um das zu korrigieren was einst als durchaus typisches Verhalten eines Kindes galt. Wir durften sogar Kinder mit einem persönlichen ‚Lern-Coach’ kennenlernen, der ihnen hilft, sich auf die wesentlichen Dinge im Alltag zu konzentrieren.

Daneben stellen sich aber auch Fragen zum Lernen selbst. Zum Beispiel: Warum müssen Kinder heutzutage noch immer auswendig lernen? Simples Rezitieren war entscheidend, als es noch keine Bücher, keine Lexika und somit keinen zentralen, institutionalisierten Wissensspeicher gab. Priester und Mönche waren gezwungen diesen auswendig zu lernen, um das kollektive Wissen zu verinnerlichen und mit der Autorität dieses Wissens zu sprechen.



Heutzutage allerdings haben wir Systeme wie Google, Bing und Wikipedia, die sich für uns erinnern. Es mag eingewendet werden, dass wenn wir uns darauf verlassen, verlassen wir uns auch auf die Weltsicht, Ansichten und Interessen unbekannter Autoren. Allerdings, warum nicht? Wir verlassen uns seit Jahrhunderten auf die Weltsicht, Ansichten und Interessen des Oxford Dictionary. Selbst die Mönche und Schriftgelehrten, die in mühseliger Kleinarbeit Manuskripte kopierten, fügten genehme Details hinzu oder ließen ungenehme weg. Es ist eine Jahrtausende alte Tradition Wissen den aktuellen Vorlieben anzupassen und im Sinne von partikular Interessen zu verändern.

Das bringt uns zu der Frage: Wie viel muss ein Kind wirklich wissen? Wird das mühsam und aufwendig erworbene Wissen jemals nützlich sein? Macht es wirklich Sinn, Wissen mit nach dem Ansatz: „Viel hilft viel“ – zu verabreichen. Wäre nicht ein just-in-time Ansatz, bei welchem Informationen und Lehrmaterialien dann zum Download zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden, hilfreicher?

Erfahrungsgemäß besteht immer ein erheblicher Widerstand, wenn man sich von bewährten Vorgehensweisen trennen soll. Es gab einmal eine Zeit, in welcher die feste Meinung herrschte, dass nur mithilfe des Rechenschiebers das algebraische Verständnis der Kinder angemessen geschult werden könne. Vor über 40 Jahren brachte Texas Instruments dann einen kleinen, billigen Rechner aus Plastik auf den Markt, der sogar zusätzlich Wurzeln ziehen konnte. Sind wir etwa dümmer geworden?

Als der ungarische Erfinder Josef Brio den Kugelschreiber erfand, wurde dessen Benutzung in den Schulen verboten. Das Ende der westlichen Zivilisation - so wie wir sie kannten - stand als Schreckgespenst im Raum, falls unsere Kinder aufhören sollten, Stahlfedern behutsam in Tinte zu tauchen. Wo stehen wir nun?

Was ist aus den mühseligen Übungen geworden, Buchstaben kursiv zu schreiben? Welchen Nutzen hatten diese Übungen letztendlich? Schreibt nicht fast jeder mittlerweile seine Texte mit dem Computer und ist so in Lage frei zwischen einer Vielzahl von Schriften zu wählen, angefangen von Times New Roman über  Britannic Bold hinzu Verdana. Auch bei der Rechtschreibung und Grammatik korrigiert der Computer inzwischen die gröbsten Fehler, kleinere beeinflussen in der Regel nicht die Kommunikation und das Verständnis.

Hat die Vielzahl neuer Küchenmaschinen und Küchenutensilien wirklich dafür gesorgt, dass unsere Partner weniger Zeit in der Küche verbringen? Könnte es nicht sein, dass ebenso die ganzen neuen Lehr- und Lernmethoden unseren Kindern nicht helfen werden, mehr Zeit für sich zu haben? Können wir wenigstens neue Dinge die wir persönlich für wichtig halten dem Curriculum hinzufügen?



Gibt es jemanden der dafür verantwortlich zeichnet, überflüssige Lehrinhalte rechtzeitig zu streichen? Üblicherweise kommen neue Lehrinhalte zum Unterrichtsstoff hinzu, selten verschwinden welche. In den Ferien besuchten wir Jena, früher vor der Wiedervereinigung eine Hochburg der Glasverarbeitung. Heute wird noch immer viel Glasmanufaktur betrieben, aber das Koennen des einzelnen Glasschleifers ist hauptsaechlich von Computern uebernommen worden  Viel Wissen bzgl. der Glasverarbeitung, das über ein Jahrhundert angesammelt worden war, ist nun hinfällig geworden. Computer erledigen die Arbeit nun schneller, präziser und noch dazu billiger.

Nach diesem Familienurlaub fragten wir uns: Ist es nicht wesentlich sinnvoller und wichtiger, mehr Freizeit mit unseren Kindern zu verbringen. Mit Ihnen zu spielen, Ihnen zuzuhören, gemeinsam Musik und Sport zu machen oder vielleicht ein Theater zu besuchen? Wir sollten unseren Kindern die Dinge erklären, die sie wirklich wissen müssen. Zum Beispiel halten wir es für wichtig, dass unsere Kinder zumindest grundsätzlich verstehen, dass sich Preise nicht primär aufgrund von Kosten, sondern vor allem aus Angebot und Nachfrage bilden. Dass Anhaeufung von Ressourcen gut sein kann, aber nicht in Gier ausschlagen soll. Unserer Ansicht nach sollte es auch eine Wissenspraemie geben fuer Moral, Werte, langfristiges Denken, ein Gefühl für Offenheit und Freude, die Bedeutung von Freundschaft und neuen Freunden, Netzwerkeffekte und auch den Zusammenhang zwischen Geld ausgeben und Geld sparen. Mit solchem Wissen koennen unsere Kinder dann vielleicht eine Weltwirtschaftskrise nicht vermeiden, aber zumindest verstehen und darauf reagieren.   

No comments:

Post a Comment