Sunday, November 15, 2009

Zeit für Führungsstärke


Der zum Präsidenten Barack Obama wird Schrittmacher sein nicht nur für die USA, sondern auch für Menschen in der ganzen Welt.
Angesichts der vielen Erwartungen, die in dieser Wahlkampagne entstanden sind, lohnt es sich, über realistische Möglichkeiten und Konflikte bei deren Verwirklichung nachzudenken.
Die weltwirtschaftlichen Probleme verschwinden nicht, nur weil es eine neue US-Regierung gibt. Aber es wird eine Stimmung des Wandels geben. Wenn ein neues Team an die Arbeit geht, das seine Politik noch ausformuliert, ist das wie bei einem Schiff, von dem alte Algen und Muscheln abgekratzt werden. Es bewegt sich anschließend schneller, flexibler, leichter. Es wird allerdings auch unerwartete und ungewollte Folgen geben.
Die Regierung steht vor einer Hauptaufgabe: Sie muss den Konflikt zwischen einem verantwortungsbewussten wirtschaftlichen Verhalten der Bürger und der verantwortungsbewussten Steuerung der Volkswirtschaft lösen. In der Vergangenheit war es typischerweise inakzeptabel, die Botschaft "Spart mehr" als "Gebt weniger aus" zu interpretieren, wegen der Folgen für das Wachstum. Aber weil der Dienst an der Gesellschaft einen neuen Stellenwert erhält, ist die Zeit reif dafür, Opfer zu fordern. Eine nationale Verständigung ist nötig: Wir müssen auf übermäßigen Konsum, Ausgaben für Kriege und hohe Rohstoffpreise reagieren, indem wir Erwartungen, Ausgaben und Exzesse zurücknehmen.
Allerdings muss die Konjunktur am Laufen bleiben, mit aktivem Beitrag der Verbraucher. Der extreme Einbruch des Autoabsatzes zeigt, welche Nachteile zu viel Zurückhaltung beim privaten Konsum hat. Individuen und die Gesellschaft insgesamt können nicht auf "billig" setzen. Die Regierung wird voraussichtlich weniger auf Marktkräfte vertrauen. Wenn aber keine Marktsignale genutzt werden, muss es andere Indikatoren geben. Das wird die Arbeit der Think-Tanks, Regierungsbehörden und Universitäten anregen und mehr Flexibilität schaffen. Allerdings sind auch politische Irrtümer und Debatten über die richtigen Ansätze zu erwarten.
Nicht zuletzt wird der schwindende Glaube an freie Märkte auch Einfluss auf die Währungskurse haben. Die Regierung wird schneller und härter intervenieren, um den gewünschten Wechselkurs zu erreichen. Eine solche extraterritoriale Wirkung politischer Ziele wird ein neuer Rückschlag für die Handelspartner der USA sein, vor allem wenn die amerikanische Politik sich weniger an Unternehmensinteressen orientiert als früher. Die Verbündeten der USA müssen auch damit rechnen, dass sie einen weniger freien Marktzugang haben werden.
Der Wandel innerhalb des Landes wird Auswirkungen auf die internationalen Perspektiven haben. Es wird völlig neue Herangehensweisen geben, alte Traditionen werden verschwinden und neue geschaffen. Das wird sich bei traditionellen Dimensionen des US-Kapitalismus zeigen wie dem Verhalten gegenüber Risiko, Wettbewerb, Gewinn und Eigentum. Entscheidungen werden sich weniger an der Relation von Risiko und Ertrag orientieren. Ein schwächerer Akzent auf Wettbewerb mag zu mehr Harmonie führen, aber auch zu weniger Innovation.
Ein kreativeres Denken bei Eigentumsfragen wird beispielsweise zu mehr Flexibilität bei der Entwicklung von Medikamenten führen, könnte aber zur Abwanderung von Pharmaunternehmen führen. Um sich ein Bild von den neuen Spielregeln zu machen, kann man sich einen Flipperautomaten vorstellen: Bislang bekommt der beste Spieler eine Extrakugel und kann seine Führung damit noch weiter ausbauen. Künftig wird möglicherweise der Spieler, der zurückliegt, eine Extrakugel erhalten, damit er aufschließen kann. Das wäre nicht uninteressant, führt aber zu einem ganz anderen Spiel.
Schließlich stellt sich die Frage, wer all die wichtigen Veränderungen bezahlen wird. In den letzten Jahrzehnten hat die Politik sich auf die Eindämmung der Inflation konzentriert. Jetzt schwenkt der Fokus auf die Schaffung von Beschäftigung, Sorgen vor Inflation werden zweitrangig gegenüber stimulierenden Ausgabenprogrammen. Mittelfristig kann das zur Notwendigkeit führen, die Staatseinnahmen spürbar zu verbreitern. Das wird angesichts der Versprechen, die Obama bei den Steuern gemacht hat, eine schwierige Aufgabe. Außerdem kann das den Standort Amerika weiter schwächen, was zu schwächeren Investitionen aus dem Ausland führen würde.
Die neue Regierung wird höhere Standards bei moralischem Verhalten und Aufrichtigkeit einfordern, von Individuen, Unternehmen und öffentlichen Behörden. Anders können Vertrauen und Zuversicht nicht erneuert werden. Doch diese Werte sind nicht über Nacht zu schaffen, sie verlangen graduelle Änderungen. Auch wenn der Wunsch nach schnellen Veränderungen besteht - im Zeitalter der Globalisierung ist ein abgestimmtes Vorgehen nötig, sonst erlebt man ein Rosinenpicken bei regionalen Vorteilen.
Es brechen neue Zeiten an, aber die Inspirationsquellen für Leadership haben wir. Vor 2000 Jahren gab der Apostel Paulus ein gutes Beispiel, dieser frühe Globalisierer. Er reiste viel, war in Tarsus geboren und daher römischer Bürger. Er hatte oft mit Widerständen zu kämpfen. Wurde der Hass zu stark, verwies er auf sein römisches Bürgerrecht. Das verlieh seiner Botschaft Kraft.
Die neue Regierung steht zu Hause und international vor schweren Entscheidungen. Viele Menschen in der Welt wollen Amerika lieben. Aber globale Leadership ist in der Vergangenheit zu oft von nacktem Pragmatismus verdrängt worden. Innere Stärke, Fähigkeit und ein moralischer Kompass sind essenziell für eine Führung zum Nutzen aller. Dann können die kommenden Jahre uns sozialen Fortschritt bringen.

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